Montag, 9. Juli 2012

Grenzgängerin Olga Manj: Wolfsmann


Olga Manj schreibt Lyrik und Prosa, sie erforscht Verstand und Gefühl, Mensch und Kreatur - und sämtliche Grenzgebiete. Davon zeugt auch ihr Gedicht "Wolfsmann", das sie neben einer Kurzgeschichte im Mannheimer theater oliv (14.07.12) vortragen wird.



Wolfsmann

In sengender Hitze die Füße auf Eis,
gehüllt in das Fell eines Wolfes.
In züngelnde Geistwelt eingeschlossen,
harrt er der Ausbrüche,
die Blitze in den Himmel schleudern.

Er sprang vor Zeiten auf glattes Parkett,
auf einen vereisten Fluss am Ufer der Wüste.
Ist sicher auf allen Vieren gelandet,
zwischen nächtlicher Wüste und hellem Wald,
auf der bitteren Scheide des Wissens.

In diesem Zwielicht von Tag und von Nacht,
explodiert die feurige Hülle ins Nichts.
Er richtet sich auf und spürt
das Fell, das unter dem Maßanzug kratzt.

So schlittert ein Wolfsmann auf dem Eis,
zwischen Mannsein und Frausein in Wehmut,
zwischen Urwaldhitze und trockner Wüste
auf der Kante der scharfen Gefühle.


In der Wüste sitzen Frauen,
singen Lieder unter funkelnden Sternen.
Und drüben im Urwald da trommeln sie,
auf der Lichtung im Schatten des Tages.

„Fließ Fluss“, hört er sie aus weiter Ferne
und „Fluss, fließ endlich weiter.“
Er sieht, wie sie alle näher wogen,
hie aus der Nacht und da aus dem Tag.

Doch in seiner Näh’ auf dem glatten Eis
da rutschen die Frauen aus, rettungslos aus,
die aus der Wüste und die aus dem Wald.
Dabei schaut einer zu, fassungslos zu.

Ein huschendes Lächeln im Blick wie ein Kind
dreht er jetzt ab, vom unlebbaren Leben.
Stumm gleitet er als schwarzes Nichts
zerbrechlich, schillernd, durchsichtig weiter.

Vor langen Zeiten einmal auf hoher Fahrt,
gesprungen aus kraftblauem Himmel.
Doch jetzt gleitet einer immer weiter
auf eisiger Fläche ins Feuer zurück.





Über die Autorin:
Bisher erschienen 1995 der Gedichtband ›Liebe und sonstige Schrecklichkeiten‹ und einzeln veröffentlichte Geschichten, darunter 1997 ›Braves Mädchen‹, 1998 ›Die Hexe Snella‹, 2003 ›Die Königin der Nymphen‹ und 2005 ›Der Selbstmord‹. Die Autorin lebt und arbeitet in Mannheim. Sie gehört der Heidelberger Literaturoffensive (LitOff) seit 2003 an. In folgenden Anthologien dieser Autorengruppe ist sie mit Gedichten und Geschichten vertreten: Nachtmenschen (2003), In den Tag (Hörbuch, 2004), Romantik-Spiegel (2006).




Olga Manj  Die schöne Bäckerin
Kurpfälzer Dekamaron.
Lustvolle Geschichten von einer Landfrau, die gerne sommerliche Obsttorten backt. Über dem Stall hat sie heimlich ein Filmstudio eingerichtet, für sie junge Männer beim sexy Tortenessen fürs Publikum abfilmt und gelegentlich auch vernascht. Doch ihr Mann und die anderen Landfrauen kommen dahinter.
8,90 EUR  ISBN 978-3-931382-38-4  Seidler Verlag




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