Petra Scheuermann erkundet Grenzbereiche zwischen Alltagsleben und Suchterfahrung. Ihre Kurzgeschichte "Na dann, Prost!" wird sie am 14.07.12 im Mannheimer theater oliv vorstellen.
Hier eine kurze Leseprobe:
„In Anna brannte der Hass auf ihren Vater wie hohes Fieber. Sie schlug die Tür ihres Zimmers hinter sich zu und bereute keine Glastür zu haben, das Bersten und Klirren des Glases hätte ihr etwas Genugtuung verschafft. Quer auf ihrem Bett liegend flennte sie Rotz und Wasser. Immer wieder sah sie die leuchtenden Augen Bennos vor sich, als ihm ihr Vater die Kakteenableger schenkte. „Dein Vater ist aber nett“, hatte Benno gesagt.
Benno ist tot, dachte sie.
Morgen wollte er vorbeikommen, um sechzehn Uhr. Er wird nicht kommen. Er wird niemals
mehr kommen. Er ist tot. Ich werde ihn nie mehr wieder sehen. Und ich werde
nicht erfahren, was Benno mir sagen wollte. Niemals!
Erst im dritten Blumenladen
gelingt es Anna einen Strauß Margeriten zu erstehen, er ist groß und
wunderschön. Natürlich hätte sie auch andere Blumen kaufen können, Gerbera zum
Beispiel. Aber sie hatte sich in den Kopf gesetzt, es müssten Margeriten sein.
Bennos Grab liegt nur zwei
Meter vom Grab seiner Freundin Sonja entfernt. Die Hälfte des
Margeritenstraußes stellt sie in die Vase, die fest in Bennos Grab eingelassen
ist, die restlichen Blumen legt sie auf Sonjas Grab.
An einem Sonntagmittag stand
Benno unerwartet bei Anna zu Hause vor der Tür, als sie gerade zu Leo
aufbrechen wollte. Er war ein ungebetener Besucher, der ihr eher lästig war.
Nicht, dass sie etwas gegen Benno gehabt hätte, er war Leos Freund und bislang
hatte sie sich nicht sehr viele Gedanken über ihn gemacht. Er war dick, der
einzige dicke Junkie, den sie kannte. Der Kopf auf seinem Körper erweckte den
Eindruck, als sei ein kleines Quadrat auf ein großes Quadrat genagelt worden.
Vielleicht war das der Grund, warum all seine Bewegungen etwas Linkisches
hatten. Sein Blick war unstet und suchend, als würde er jederzeit mit einem
Angriff aus dem Hinterhalt rechnen.“
Biographische Notiz
Petra Scheuermann, geb. 1959
in Frankenthal/Pfalz, Dipl.-Sozialarbeiterin, Heilpädagogin und Erzieherin,
mehrere Veröffentlichungen in Anthologien, eine Kurzgeschichte wurde 2011 –
2012 vom Theater Oliv im Rahmen der Kurz-Stücke-Theaterrevue „Warum Mannheim?“
aufgeführt, 2012 und 2011 ausgezeichnet mit einem Literaturpreis der „Buchmesse
im Ried“ in Stockstadt am Rhein, 2. Vorsitzende des Literarischen Zentrums
Rhein-Neckar e.V. „Die Räuber ´77“ und Mitglied der Autorinnengruppe
„Mörderische Schwestern“, weitere Informationen: www.petrascheuermann.de
Na dann, Prost!, in: Geschlossene Gesellschaft?, Getaway e.V. (Hg.),
München, Juli 2011. ISBN: 978-3-00-035200-3
Inhalt
Anna steht am Grab von
Benno, der an einer Überdosis Heroin starb, und erinnert sich. Die Geschichte
handelt von Drogen, Liebe und Freundschaft, thematisiert wird aber auch die
Doppelmoral unserer Gesellschaft, in der viele – auch Eltern – selbst gerne und
reichlich Alkohol konsumieren, den Benutzern illegaler Drogen aber sehr
ablehnend gegenüber stehen.
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