Donnerstag, 22. Juni 2017

Rezension: Der unsichtbare Feind - Krimi von Michael E. Vieten





Inhalt:
Christine Bernhard, Kriminalkommissarin in Trier, muss den Kollegen vom Rauschgiftdezernat bei einer Festnahme aushelfen. Der Einsatz geht schief, Dealer flüchten, es kommt zu einem schweren Unfall. Christine wird strafversetzt, der Fall von der Dienstaufsicht untersucht. Einige Wochen später verübt jemand einen Anschlag auf ihr Leben, ihr Konto wird gesperrt und ihr Computer gehackt. Es scheint so, als hätte sie sich einen mächtigen Feind gemacht, der aus dem Cyberspace heraus agiert. Christine erhält Personenschutz, ein IT-Spezialist unterstützt sie bei den Ermittlungen. Doch plötzlich wird ihr der Fall entzogen, das LKA stellt sich gegen sie. Sitzt der Gegner vielleicht in den eigenen Reihen?


Positiv:
Michael Vieten versteht es, eine spannende Geschichte zu konstruieren, und er beherrscht das Spiel mit Gaspedal und Bremse, was bei deutschen Krimiautoren keineswegs selbstverständlich ist. Die Geschichte beginnt relativ langsam (der scheinbare Routinefall), steigert sich dramatisch (die Flucht der Verdächtigen) und bricht plötzlich ab (der Unfall). Daraufhin folgt eine Pause (Christines Urlaub auf Mauritius), und allmählich wird das Tempo wieder angezogen (Ist jemand in ihre Wohnung eingedrungen?). Dafür gebührt ihm ein Extralob.

Die Fakten sind gut recherchiert. Die Ausflüge in die IT-Welt erscheinen glaubwürdig. Als interessierter Leser wird man aber auch nicht mit Informationen bombardiert, wie etwa bei Frank Schätzing. Alles bleibt stets im Fluss, auf jede Actionszene folgt meist bald wieder ein ruhiger Moment. 

Die Charaktere wirken lebensecht und sind genretypisch. Allerdings hätte der Autor tiefer in ihr Gefühlsleben einsteigen dürfen.


Negativ:
Obwohl er bereits seit Jahren publiziert, verfügt Michael Vieten leider über einige schriftstellerische Defizite. Ihm unterlaufen zwei typische Anfängerfehler: ständiger Perspektivwechsel und unsaubere Sprache.
Beispielhaft seien an dieser Stelle zwei Absätze auf Seite 138 angeführt.
Eine alte Dame in schmutziger weißer Schürze und weißem Haar schlurfte gebückt an den Tisch und lenkte Kommissarin Bernhards Aufmerksamkeit auf sich und die beiden Teller in ihren Händen mit den Hauptgerichten für die geheimnisvollen Gäste, abseits der hell erleuchteten Gaststube. 
1. Was für ein Satzmonster! Über die Wortwiederholungen weißer/weißem und Gäste/Gaststube könnte man noch hinwegsehen. Was gar nicht geht: Man schlüpft in seine Kleidung hinein – aber nicht in seine Haare. Es müsste also mit weißem Haar heißen. Besser noch: weißhaarige Dame. Daraus ergibt sich ein Hinweis auf ihr Alter.
2. Der Autor spricht als allwissender Erzähler von Kommissarin Bernhard und gleichzeitig von zwei geheimnisvollen Gästen, von denen eine eben jene Kommissarin Bernhard ist. Sie wird in einem Satz zweimal erwähnt.
3. Warum sind die Gäste geheimnisvoll? Der Leser kennt sie bereits. Deshalb könnten sie nur aus der Perspektive der alten Dame geheimnisvoll sein. In einem Satz haben wir zwei Erzählperspektiven.
„Guten Appetit“, krächzte sie freundlich und überließ die Teller ihren Gästen. Dabei musterte sie die Fremden neugierig aus kleinen schwarzen Augen. So jedenfalls erschien Christine Bernhard die dunkle Augenfarbe im Dämmerlicht und sie fühlte sich an die schlauen, vorwitzigen und zugleich scheuen Blicke einer Krähe erinnert. Abschätzend, prüfend.
Die Alte lächelte und schlurfte davon.
1. Noch mehr Wiederholungen: Teller, Gäste, Augen, Augenfarbe, schlurfte.
2. Eine Information erscheint zweimal: schwarze Augen, dunkle Augenfarbe.
3. Die Blicke einer Krähe sind schlau, vorwitzig und scheu? Ernsthaft? Es ist ein Vogel!
4. Vorwitzig hat die Bedeutung von dreist und frech, scheu bedeutet aber ehrfürchtig und ängstlich. Die Begriffe widersprechen einander.
5. Die alte Dame ist Kellnerin. Sie ist nicht mal eine Nebenfigur, sondern nur eine Statistin. All diese Informationen sind sinnlos. Der Leser bräuchte sie nur, wenn sie beispielsweise Gift unters Essen gemischt hätte.
In diesem Stil geht es durch 280 Seiten. Gewiss, wer einen Krimi kauft, erwartet keine anspruchsvolle Sprache auf dem Niveau eines Bachmann-Preis-Gewinners. Dennoch trüben die vielen Nachlässigkeiten den Lesegenuss. Das Manuskript hätte ein gründliches Lektorat verdient gehabt – das kann sich ein kleiner Verlag wie Acabus aber vermutlich nicht leisten. Schade.

Fazit:
Der unsichtbare Feind ist ein spannender Krimi, der ein aktuelles Thema behandelt. Gute Unterhaltung ist garantiert. Sprachliche Feinschmecker müssen Abstriche hinnehmen.

Tom Erdmann
Michael E. Vieten - Christine Bernhard  Der unsichtbare Feind
Acabus Verlag   300 Seiten  EUR 13,00  Dritter Teil der Serie

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