Inhalt:
Christine Bernhard, Kriminalkommissarin in Trier, muss den
Kollegen vom Rauschgiftdezernat bei einer Festnahme aushelfen. Der Einsatz geht
schief, Dealer flüchten, es kommt zu einem schweren Unfall. Christine wird
strafversetzt, der Fall von der Dienstaufsicht untersucht. Einige Wochen später
verübt jemand einen Anschlag auf ihr Leben, ihr Konto wird gesperrt und ihr
Computer gehackt. Es scheint so, als hätte sie sich einen mächtigen Feind gemacht,
der aus dem Cyberspace heraus agiert. Christine erhält Personenschutz, ein
IT-Spezialist unterstützt sie bei den Ermittlungen. Doch plötzlich wird ihr der
Fall entzogen, das LKA stellt sich gegen sie. Sitzt der Gegner vielleicht in
den eigenen Reihen?
Positiv:
Michael Vieten versteht es, eine spannende Geschichte zu
konstruieren, und er beherrscht das Spiel mit Gaspedal und Bremse, was bei
deutschen Krimiautoren keineswegs selbstverständlich ist. Die Geschichte
beginnt relativ langsam (der scheinbare Routinefall), steigert sich dramatisch
(die Flucht der Verdächtigen) und bricht plötzlich ab (der Unfall). Daraufhin
folgt eine Pause (Christines Urlaub auf Mauritius), und allmählich wird das
Tempo wieder angezogen (Ist jemand in ihre Wohnung eingedrungen?). Dafür
gebührt ihm ein Extralob.
Die Fakten sind gut recherchiert. Die Ausflüge in die
IT-Welt erscheinen glaubwürdig. Als interessierter Leser wird man aber auch
nicht mit Informationen bombardiert, wie etwa bei Frank Schätzing. Alles bleibt
stets im Fluss, auf jede Actionszene folgt meist bald wieder ein ruhiger
Moment.
Die Charaktere wirken lebensecht und sind genretypisch.
Allerdings hätte der Autor tiefer in ihr Gefühlsleben einsteigen dürfen.
Negativ:
Obwohl er bereits seit Jahren publiziert, verfügt Michael
Vieten leider über einige schriftstellerische Defizite. Ihm unterlaufen zwei
typische Anfängerfehler: ständiger Perspektivwechsel und unsaubere Sprache.
Beispielhaft seien an dieser Stelle zwei Absätze auf Seite
138 angeführt.
Eine alte Dame in schmutziger weißer Schürze und weißem
Haar schlurfte gebückt an den Tisch und lenkte Kommissarin Bernhards
Aufmerksamkeit auf sich und die beiden Teller in ihren Händen mit den
Hauptgerichten für die geheimnisvollen Gäste, abseits der hell erleuchteten
Gaststube.
1. Was für ein Satzmonster! Über die Wortwiederholungen
weißer/weißem und Gäste/Gaststube könnte man noch hinwegsehen. Was gar nicht
geht: Man schlüpft in seine Kleidung hinein – aber nicht in seine Haare. Es
müsste also mit weißem Haar heißen. Besser noch: weißhaarige Dame. Daraus
ergibt sich ein Hinweis auf ihr Alter.
2. Der Autor spricht als allwissender Erzähler von
Kommissarin Bernhard und gleichzeitig von zwei geheimnisvollen Gästen, von
denen eine eben jene Kommissarin Bernhard ist. Sie wird in einem Satz zweimal
erwähnt.
3. Warum sind die Gäste geheimnisvoll? Der Leser kennt sie
bereits. Deshalb könnten sie nur aus der Perspektive der alten Dame
geheimnisvoll sein. In einem Satz haben wir zwei Erzählperspektiven.
„Guten Appetit“, krächzte sie freundlich und überließ die
Teller ihren Gästen. Dabei musterte sie die Fremden neugierig aus kleinen
schwarzen Augen. So jedenfalls erschien Christine Bernhard die dunkle
Augenfarbe im Dämmerlicht und sie fühlte sich an die schlauen, vorwitzigen und
zugleich scheuen Blicke einer Krähe erinnert. Abschätzend, prüfend.
Die Alte lächelte und schlurfte davon.
1. Noch mehr Wiederholungen: Teller, Gäste, Augen,
Augenfarbe, schlurfte.
2. Eine Information erscheint zweimal: schwarze Augen,
dunkle Augenfarbe.
3. Die Blicke einer Krähe sind schlau, vorwitzig und scheu?
Ernsthaft? Es ist ein Vogel!
4. Vorwitzig hat die Bedeutung von dreist und frech, scheu
bedeutet aber ehrfürchtig und ängstlich. Die Begriffe widersprechen einander.
5. Die alte Dame ist Kellnerin. Sie ist nicht mal eine
Nebenfigur, sondern nur eine Statistin. All diese Informationen sind sinnlos. Der
Leser bräuchte sie nur, wenn sie beispielsweise Gift unters Essen gemischt
hätte.
In diesem Stil geht es durch 280 Seiten. Gewiss, wer einen Krimi
kauft, erwartet keine anspruchsvolle Sprache auf dem Niveau eines
Bachmann-Preis-Gewinners. Dennoch trüben die vielen Nachlässigkeiten den
Lesegenuss. Das Manuskript hätte ein gründliches Lektorat verdient gehabt – das
kann sich ein kleiner Verlag wie Acabus aber vermutlich nicht leisten. Schade.
Fazit:
Der unsichtbare Feind ist ein spannender Krimi, der ein
aktuelles Thema behandelt. Gute Unterhaltung ist garantiert. Sprachliche
Feinschmecker müssen Abstriche hinnehmen.
Michael E. Vieten - Christine Bernhard Der unsichtbare Feind
Acabus Verlag 300 Seiten EUR 13,00 Dritter Teil der Serie
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