Kann das Wort "Sehnsucht" heute noch unbefangen benutzt werden? Diese Frage wurde auf dem letzten Treffen der LitOff gestellt und kontrovers diskutiert.
Brigitte Kronauer, Poetik-Dozentin in Tübingen, hat dasselbe Thema ins Zentrum des Würth-Literaturpreises 2012 gestellt. Sie formuliert es so: "Es gibt eine Zeit der Sehnsucht, wo ihr Gegenstand noch keinen Namen trägt."
Das gibt es zu gewinnen:
7.500 Euro - verteilt auf bis zu drei Preisträger
und eventuell die Aufnahme in eine Anthologie.
Einzureichen sind:
Unveröffentlichte Kurzgeschichten oder Essays bis zu 10.000 Zeichen (mit Leerzeichen).
Das ist die Adresse:
Philipp Ostrowicz MA
Würth-Literaturpreis
Deutsches Seminar (Universität Tübingen)
Wilhelmstraße 50
72074 Tübingen
+49 (0)7071/29-74261
ostrowicz@poetik-dozentur.de
Einsendeschluss ist der 15. Februar 2012.
Weitere Informationen gibt es hier: www.poetik-dozentur.de
Freitag, 27. Januar 2012
Freitag, 20. Januar 2012
Preis für den besten Essay
Die Literaturzeitschrift Edit möchte eine alte Tradition wiederbeleben, den literarischen Essay, und schreibt dazu den Edit-Essaypreis aus.
Zitat:
"Man muss den essai beim Wort nehmen: ein Versuch also. Ein literarisches Wagnis, eine Welterkundung, die immer auch eine Selbsterkundung ist. Dem Seichten, Anonymen und Reflexhaften setzt der Essay Intimität, Witz und Poesie entgegen - ob in intellektuellen Selbstgesprächen, literarischen Portraits und Reportagen, (auto-) biographischen Erzählungen oder Manifesten."
Das gibt ´s zu gewinnen:
1. Preis: 1.000 Euro
2. und 3. Preis: Sachgeschenke und Edit-Abos.
Die Preisverleihung erfolgt auf der Leipziger Buchmesse 2012.
Das sind die Anforderungen:
1. Unveröffentlichte literarische Essays
2. Keine thematische oder formale Vorgaben
3. Maximal 12 Normseiten
Das ist die Adresse:
Edit
"Essaypreis"
Gerichtsweg 28
04103 Leipzig
Oder per Mail an:
essay@editonline.de
Einsendeschluss ist der 30. Januar 2012.
Zitat:
"Man muss den essai beim Wort nehmen: ein Versuch also. Ein literarisches Wagnis, eine Welterkundung, die immer auch eine Selbsterkundung ist. Dem Seichten, Anonymen und Reflexhaften setzt der Essay Intimität, Witz und Poesie entgegen - ob in intellektuellen Selbstgesprächen, literarischen Portraits und Reportagen, (auto-) biographischen Erzählungen oder Manifesten."
Das gibt ´s zu gewinnen:
1. Preis: 1.000 Euro
2. und 3. Preis: Sachgeschenke und Edit-Abos.
Die Preisverleihung erfolgt auf der Leipziger Buchmesse 2012.
Das sind die Anforderungen:
1. Unveröffentlichte literarische Essays
2. Keine thematische oder formale Vorgaben
3. Maximal 12 Normseiten
Das ist die Adresse:
Edit
"Essaypreis"
Gerichtsweg 28
04103 Leipzig
Oder per Mail an:
essay@editonline.de
Einsendeschluss ist der 30. Januar 2012.
Sonntag, 15. Januar 2012
Vorschau: Poesie á la carte in Aschaffenburg
Poesie a la carte
Dienstag, 24. Januar 2012 um 19.30 Uhr Hofbibliothek
Schloss Johannisburg
Schlossplatz 4
D-63739 Aschaffenburg
Der Eintritt ist frei.
Mehr unter: www.main-reim.de
Kurzgeschichtenwettbewerb von Jokers
Bei Jokers gibt es nicht nur günstige Bücher, die Handelskette macht sich auch um die Förderung der Literatur verdient. Ihre Gedichte-Datenbank ist eine der größten Lyriksammlungen, in der auch unser LitOff-Mitglied Jancu Sinca mit seinem Werk Die Nacht von Orpheus vertreten ist.
Bis zum 31.01.12 läuft noch ein Kurzgeschichtenwettbewerb, den Jokers gemeinsam mit Delia-Online veranstaltet. Das Thema lautet BEGEGNUNGEN RUND UM DIE LIEBE, der Umfang der Texte soll zwischen 15.000 und 20.000 Anschlägen liegen. Drei Preise über jeweils 300 Euro sind ausgelobt, außerdem stellt Jokers die drei Geschichten als kostenlosen Download auf der bekannten Internetseite zur Verfügung.
Hier ist der Link zu der Originalausschreibung.
Bis zum 31.01.12 läuft noch ein Kurzgeschichtenwettbewerb, den Jokers gemeinsam mit Delia-Online veranstaltet. Das Thema lautet BEGEGNUNGEN RUND UM DIE LIEBE, der Umfang der Texte soll zwischen 15.000 und 20.000 Anschlägen liegen. Drei Preise über jeweils 300 Euro sind ausgelobt, außerdem stellt Jokers die drei Geschichten als kostenlosen Download auf der bekannten Internetseite zur Verfügung.
Hier ist der Link zu der Originalausschreibung.
Sonntag, 8. Januar 2012
Enhanced E-Book - ein neues Format
Deutsche Verlage galten bisher als Innovationsverweigerer, was sowohl die Inhalte als auch die Formen ihrer Produkte angeht. Jetzt kommt etwas Neues - das Enhanced E-Book. Wohlgemerkt, damit ist eine App (also ein Anwendungsprogramm) gemeint, nicht etwa das gewöhnliche E-Book. Allmählich wird die technische Entwicklung unübersichtlich, deshalb hier noch einmal schnell die wichtigsten Formate in der Übersicht.
Wir kennen:
1. das gedruckte Buch - als Festeinband oder Taschenbuch
2. das Hörbuch - auf CD oder als MP3-Download
3. das E-Book - lesbar z.B. auf dem Kindle oder dem Sony Reader
4. die Read & Listen-Versionen für z. B. IPAD, IPHONE und IPOD TOUCH
Und jetzt kommt hinzu:
5. das Enhanced E-Book - die App für IPAD, IPHONE, IPOD TOUCH, Android Smartphones oder Android Tablets
Auf der App sind die Texte sind ergänzt durch Fotos, Videos, Audios, Links und interaktive Elemente. Dadurch wird die Handlung des Buches vertieft, der Leser kann sich Schauplätze ansehen, Hintergrundinformationen einholen oder einzelne Figuren oder auch den Autor zu sich sprechen lassen.
Dieses System hat wie üblich Vor- und Nachteile.
Nachteile sind:
1. Man wird der Möglichkeit beraubt, sich selbst Schauplätze, Personen usw. vorzustellen.
2. Der Lesefluss wird immer wieder unterbrochen.
3. Die Entwicklung der App kostet viel Geld - das werden sich nur die großen Verlage leisten können.
Dem gegenüber stehen eine Reihe von Vorteilen, die bisher noch nicht abschätzbar sind. Der größte Vorteil ist sicher die Interaktivität. Der Leser ist nicht mehr zur Passivität verurteilt, er kann selbst entscheiden, wie tief er in die Materie eindringt, kann teilhaben, spielen, sich mit Gleichgesinnten treffen, andere Meinungen einholen, vielleicht wird er sich später einmal selbst als Figur in die Geschichte einbringen können...
Und sehr wichtig ist auch: die App bringt junge Leute zur Literatur. In den letzten Jahren ist die Szene überaltert, Lesungen oder Buchmessen wirken oft wie Seniorentreffen. Das Enhanced E-Book wird gewiss für frischen Wind sorgen.
Wir kennen:
1. das gedruckte Buch - als Festeinband oder Taschenbuch
2. das Hörbuch - auf CD oder als MP3-Download
3. das E-Book - lesbar z.B. auf dem Kindle oder dem Sony Reader
4. die Read & Listen-Versionen für z. B. IPAD, IPHONE und IPOD TOUCH
Und jetzt kommt hinzu:
5. das Enhanced E-Book - die App für IPAD, IPHONE, IPOD TOUCH, Android Smartphones oder Android Tablets
Auf der App sind die Texte sind ergänzt durch Fotos, Videos, Audios, Links und interaktive Elemente. Dadurch wird die Handlung des Buches vertieft, der Leser kann sich Schauplätze ansehen, Hintergrundinformationen einholen oder einzelne Figuren oder auch den Autor zu sich sprechen lassen.
Dieses System hat wie üblich Vor- und Nachteile.
Nachteile sind:
1. Man wird der Möglichkeit beraubt, sich selbst Schauplätze, Personen usw. vorzustellen.
2. Der Lesefluss wird immer wieder unterbrochen.
3. Die Entwicklung der App kostet viel Geld - das werden sich nur die großen Verlage leisten können.
Dem gegenüber stehen eine Reihe von Vorteilen, die bisher noch nicht abschätzbar sind. Der größte Vorteil ist sicher die Interaktivität. Der Leser ist nicht mehr zur Passivität verurteilt, er kann selbst entscheiden, wie tief er in die Materie eindringt, kann teilhaben, spielen, sich mit Gleichgesinnten treffen, andere Meinungen einholen, vielleicht wird er sich später einmal selbst als Figur in die Geschichte einbringen können...
Und sehr wichtig ist auch: die App bringt junge Leute zur Literatur. In den letzten Jahren ist die Szene überaltert, Lesungen oder Buchmessen wirken oft wie Seniorentreffen. Das Enhanced E-Book wird gewiss für frischen Wind sorgen.
Gedicht des Monats
Das Gedicht des Monats Januar stammt von Gisela Hübner:
winterweg
zarte zeichen gibt der himmel
großes weißes wort
nur mein weg
spart den letzten buchstaben aus
und graues glas
führt singend über die
frostgetrocknete pfütze
eine eisige wolke strandet
festgebissen im gestrüpp
behaart ihr winteratem den strauch
meine finger streicheln
die federn des vogels
seine zerschnittene stimme
die winzige kralle
Entnommen aus:
ISBN 978-3-931382-47-6/ € 9,30
winterweg
zarte zeichen gibt der himmel
großes weißes wort
nur mein weg
spart den letzten buchstaben aus
und graues glas
führt singend über die
frostgetrocknete pfütze
eine eisige wolke strandet
festgebissen im gestrüpp
behaart ihr winteratem den strauch
meine finger streicheln
die federn des vogels
seine zerschnittene stimme
die winzige kralle
Entnommen aus:
Gisela Hübner
Zweisam
Zweisam
Die Gedichte
von Gisela Hübner sind lebendige Augenblicke einer genauen Beobachterin.
Das lyrische Ich der Autorin ist lustvoll, aber auch zuweilen
unerbittlich. Der Ton der Ironie, der immer wieder aufblitzt, trägt den
Leser durch die Leuchtgirlande der Lebensmomente.
Lothar Seidler Verlag, HeidelbergISBN 978-3-931382-47-6/ € 9,30
Mittwoch, 4. Januar 2012
Vorschau: Eisblutgeschichten - Szenische Lesung mit Musik
Ein gefrierender Alptraum, ohne ein erlösendes Erwachen.
Wer Gruseliges und Fantastisches mag, sollte sich den romantisch-schaurigen Abend mit Klavier nicht entgehen lassen. Der Höhepunkt des Abends ist das Live-Hörspiel "Dienstfahrt", gelesen von der Schauspielerin Marina Tamássy.
Zu hören ist auch der Klavierzyklus "Grauen unter fahlem Mondlicht", den der Komponist Johannos Santos selbst vorträgt.
Ort: Kleinkunstbühne Klapsmühl´ am Rathaus, D 6, 3 Mannheim
Zeit: Sonntag, 29. Januar 2012, 18:00 Uhr
Montag, 2. Januar 2012
Kurzgeschichte(n) des Monats
Die Kurzgeschichte des Monats kommt diesmal im Doppelpack. Autorin ist Anette Butzmann.
Anette Butzmann Eisblutgeschichten
Zuckerwatte

»Kaufst du mir Zuckerwatte?«
Es war die Stimme eines Mädchens. Hätte er die Augen geschlossen, wäre er auf ein Alter zwischen zwölf und siebzehn gekommen. Doch ihr Gesicht, mit den beginnenden Fältchen um den Mund, erzählte eine andere Geschichte. Ihm fielen ihre schönen Zähne auf. Ebenmäßig, fast weiß. Keine Raucherin, dachte er.
»Hallo«, sagte er, starrte sie an. Er hätte gerne mehr von ihren Augen gesehen, doch die blieben weiterhin vom Schatten der Markise bedeckt. Dann besann er sich, lächelte und sagte: »Na klar, blau oder rosa?«
»Rosa«, sagte der Verkäufer, » sie will immer rosa.« Der Mann hinter dem Stand nahm kurz angebunden das Geld entgegen. Sie griff nach der Zuckerwatte.
»Ich …«, fing er an, doch er verstummte, als sie seine Hand nahm und ihn wegführte.
Sie sprachen danach nicht mehr miteinander. Er ging neben ihr her. Sie aß genussvoll zwei oder drei Häppchen von der Zuckerwatte. Dabei glitt ihre Zunge über die dünnen Zuckerfäden und zog sie vorsichtig in den Mund hinein. Die Nacht war warm, sie hatten das Oktoberfest verlassen. In der U-Bahn-Station konnte er sie besser sehen, auch wenn sie ihm nur den Blick von der Seite gestattete. Sie hatte tatsächlich blaue Augen. Darauf hatte er gehofft. Nun berührte er sie zum ersten Mal. Er strich mit dem Zeigefinger über ihre Armbeuge und beobachtete, wie sich ihre blonden Härchen aufstellten. Seine Lippen, sein Atem strich über die Härchen wie der Wind über ein Gerstenfeld.
Als er versuchte ihr über den Kopf zu streichen, wich sie aus.
»Was ist?« Er war verunsichert.
»Komm«, sie zog ihn in die U-Bahn.
Später stieg er hinter ihr die Haustreppe hoch. Seine Hand berührte sie zwischen den Pobacken und glitt dann den Oberschenkel hinunter. Sie schloss die Tür auf. Er trat ein, blickte den schmalen Gang entlang.
»Du fotografierst?«, fragte er und strich mit dem Finger über gerahmte Fotos. Alle hatten das gleiche Motiv. Es waren Aufnahmen von Bauchnabeln, nackte, gepiercte, schwarze und weiße Bauchnabel.
Es war die Stimme eines Mädchens. Hätte er die Augen geschlossen, wäre er auf ein Alter zwischen zwölf und siebzehn gekommen. Doch ihr Gesicht, mit den beginnenden Fältchen um den Mund, erzählte eine andere Geschichte. Ihm fielen ihre schönen Zähne auf. Ebenmäßig, fast weiß. Keine Raucherin, dachte er.
»Hallo«, sagte er, starrte sie an. Er hätte gerne mehr von ihren Augen gesehen, doch die blieben weiterhin vom Schatten der Markise bedeckt. Dann besann er sich, lächelte und sagte: »Na klar, blau oder rosa?«
»Rosa«, sagte der Verkäufer, » sie will immer rosa.« Der Mann hinter dem Stand nahm kurz angebunden das Geld entgegen. Sie griff nach der Zuckerwatte.
»Ich …«, fing er an, doch er verstummte, als sie seine Hand nahm und ihn wegführte.
Sie sprachen danach nicht mehr miteinander. Er ging neben ihr her. Sie aß genussvoll zwei oder drei Häppchen von der Zuckerwatte. Dabei glitt ihre Zunge über die dünnen Zuckerfäden und zog sie vorsichtig in den Mund hinein. Die Nacht war warm, sie hatten das Oktoberfest verlassen. In der U-Bahn-Station konnte er sie besser sehen, auch wenn sie ihm nur den Blick von der Seite gestattete. Sie hatte tatsächlich blaue Augen. Darauf hatte er gehofft. Nun berührte er sie zum ersten Mal. Er strich mit dem Zeigefinger über ihre Armbeuge und beobachtete, wie sich ihre blonden Härchen aufstellten. Seine Lippen, sein Atem strich über die Härchen wie der Wind über ein Gerstenfeld.
Als er versuchte ihr über den Kopf zu streichen, wich sie aus.
»Was ist?« Er war verunsichert.
»Komm«, sie zog ihn in die U-Bahn.
Später stieg er hinter ihr die Haustreppe hoch. Seine Hand berührte sie zwischen den Pobacken und glitt dann den Oberschenkel hinunter. Sie schloss die Tür auf. Er trat ein, blickte den schmalen Gang entlang.
»Du fotografierst?«, fragte er und strich mit dem Finger über gerahmte Fotos. Alle hatten das gleiche Motiv. Es waren Aufnahmen von Bauchnabeln, nackte, gepiercte, schwarze und weiße Bauchnabel.
»Manchmal«, sagte sie und begann ihre Bluse aufzuknöpfen.
»Oh, ich ...«, begann er und wurde rot. Sie lächelte.
»Du brauchst nicht zu bezahlen«, beantwortete sie die ungestellte Frage. Dann drehte sie sich um und ging in einen weiteren Raum. Er vermutete dort das Schlafzimmer. »Ich, ich hole noch etwas zu trinken«, rief er und suchte die Küche.
Als er sie fand, blieb er überrascht an der Tür stehen. Statt einer Gaskochstelle oder eines Elektroherdes war eine tiefe Messingschüssel in die Einbauplatte eingelassen. In der Mitte war ein kleiner Topf. Das Innere der Schüssel hatte ein Gitter, darin klebte Zuckerwatte, rosa Zuckerwatte.
»Oh, ich ...«, begann er und wurde rot. Sie lächelte.
»Du brauchst nicht zu bezahlen«, beantwortete sie die ungestellte Frage. Dann drehte sie sich um und ging in einen weiteren Raum. Er vermutete dort das Schlafzimmer. »Ich, ich hole noch etwas zu trinken«, rief er und suchte die Küche.
Als er sie fand, blieb er überrascht an der Tür stehen. Statt einer Gaskochstelle oder eines Elektroherdes war eine tiefe Messingschüssel in die Einbauplatte eingelassen. In der Mitte war ein kleiner Topf. Das Innere der Schüssel hatte ein Gitter, darin klebte Zuckerwatte, rosa Zuckerwatte.
Reflektionen
I.
Im Saal der achtundzwanzig Spiegel geht ein Paar Füße
schwer
voran. Sie tragen ihre Last wie Kamele durch die
lichtgepeitschte
Schwärze. Ein Fuß stolpert gegen die erste Stufe der
ungleichmäßigen Treppe.
Voran, voran und immer im Kreis, vorbei an denselben
Spiegeln,
die achtundzwanzig Stufen hinauf. Schleppender Takt
von zwei Schuhen an Füßen, die gehen und gehen.
Der Takt lockt die Harfe mit den achtundzwanzig Saiten
herbei. Neue Töne, alte Töne, fremd und vertraut. Die
Melodie
bleibt schwebend ungewiss, schwingt um die
Halbtonlage,
verdichtet sich, löst sich, umkreist die Füße
schmeichelnd.
Hastig reiße ich die Türe auf. Mit den Kerzen dicht
vor meinen
Augen, in meinen Augen, betrete ich den Saal. Die
flackernden
Lichter
leuchten grell auf, hartesWiderstrahlen, doch ich kann es nicht sehen.
Basssaitenschlag überschlägt sich beim Hetzen seines
Nachhalls,
klingt weiter, klingt leiser. Kommt zur Ruhe in mir,
verschluckt zum stummen Tod,
bereit, eine neue Saite anzuschlagen.
II.
Eine formlose Masse entwächst den Schuhen, aus der
Masse
entstehe ich und sehe mich in der Tür stehen. »Mach
die
Kerzen aus, bitte«, wimmere ich. Der Schein der
Flammen
bricht sich immer und immer wieder in den Spiegeln.
»Ich kann nichts sehen. Wo bist du?« Die Hände suchen
im
Feuer nach mir. Ich sehe mich um. Es ist keine weitere
Tür im
Saal auszumachen. Eine Hand findet meine Schulter.
Die grässlich grellen Kerzen kommen meinem Gesicht
ganz
nah. Ich spüre die Hitze. Ich spüre das Knistern der
Flammen.
Die Hand drückt mich aufs Parkett.
»Liebe«, flüstert es ganz leise, und ein Mund
verschließt den
meinen. Süßer Atem stößt mir entgegen. Der Bannkreis
schlägt
mich. Zum Fliehen ist es nun zu spät.
Ich ertrage die Berührungen. Die Zunge fliegt feucht
über
meinen Körper. Die Flammen der Kerzen versengen feine
Härchen, die sich schwarz kräuselnd in der Hitze winden.
Die Hand sucht nach Neuem, ertastet, bis sich die Haut
der
Hand entgegenwölbt, bis die Lust siegt und ich
keuchend mein
»Ja« entgegenbringe.
Mein Atem hat die Kerzen gelöscht. Es dunkelt wieder,
ich bin
erschrocken,
erlöst, allein. Ich sehe mich um. In den Spiegeln
glühen
nur meine Augen mit den Kerzen dahinter.
Entnommen aus:
Anette Butzmann Eisblutgeschichten
Erschienen im Seidler Verlag
12,80 EUR / ISBN 978-3-931382-13-1 (Buch)
19,80 EUR / ISBN 978-3-931382-46-9 (Buch / CD)
Mehr unter: www.eisblutgeschichten.de
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